Den Auftakt der ambitionierten Vorlesungsreihe unter dem Motto Schreibweisen der Gegenwart bestritt vor versammelter Lokalprominenz im Alten Rathaus kein Geringerer als Ingo Schulze. Ich bin soeben zurückgekommen und immer noch begeistert. Wenn ein Schriftsteller sein Schreiben erklärt, kann das leicht in die Hose gehen, nicht jedoch bei Schulze: Bescheiden erklärte er sein Schreiben anhand seiner Biografie und literarischen Vorbildern und versuchte gar nicht nicht erst, dem Ganzen eine bedeutungsvolle Metaebene überzustülpen.
Vom 13jährigen Jugendlichen in der DDR, für den Schriftsteller werden ein Weg ins Heldentum zu sein schien, ging es für ihn nach ersten Schreibversuchen zur NVA und dann als Dramaturg an ein Provinztheater in Altenburg. Nach der Wende wurde eine Zeitung gegründet, die das politische Geschehen begleiten sollte, letztlich blieb nur ein lokales Anzeigenblatt und die Sorge ums Geld und Arbeitsplätze. Das Schreiben blieb da für Jahre auf der Strecke. Schließlich verschlug es ihn nach St. Petersburg im wilden post-kommunistischen Russland erst diese Stadt hat ihn nach seiner Aussage zum richtigen Schreiben gebracht. Er begriff dann auch, dass es nicht darum geht, krampfhaft eine eigene Stimme zu finden, dass »der Autor nicht die Sonne ist, sondern der Sputnik«, d.h. dass er für jede Geschichte einen ihr angemessenen Stil finden muss.
1995 erschien 33 Augenblicke des Glücks, jetzt ein Klassiker, 1998 dann Simple Stories und 2005 (nach siebenjähriger Arbeit) Neue Leben, mit dem er auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises kam. 2007 erhielt er dann den Preis der Leipziger Buchmesse.
Anschaulich erzählte er, wie ihn seine Vorbilder Thomas Mann, Robert Musil, Vladimir Sorokin, E.T.A Hoffmann und vor allem Ernest Hemingway und Raymond Carver inspiriert und geholfen haben, Geschichten zu schreiben. Es war sehr interessant für mich, einem bekannten Autor so in die Werkstatt schauen zu können.
Schließlich nutzte ich die Gelegenheit, ihm beim Signieren am Büchertisch Roman Simi?s gerade bei uns erschienenes Buch In was wir uns verlieben mit besten Grüßen des Autors in die Hand zu drücken, was ihn sichtlich freute (beide kennen sich sehr gut), und das wiederum freute mich.
Nachtrag: Hier auch ein Bericht des Börsenblatts über den Abend und hier einer in der NZZ.