Kurz vor dem Wochenende ein neues Autoreninterview. Vorstellen wollen wir Ahne, 1968 in Berlin-Buch geboren, gelernter Offset-Drucker. Die Wende war ein Glücksfall für ihn: Er wurde arbeitslos und Hausbesetzer. Seine Geschichten liest er seit etlichen Jahren bei der Reformbühne Heim & Welt sowie den Surfpoeten vor, Letztere hat er mitgegründet. 2001 erschien seine erste Geschichtensammlung »Wie ich einmal die Welt rettete«, 2003 seine zweite »Ich fang noch mal von vorne an« (beide bei KiWi), 2007 veröffentlichte er seine »Zwiegespräche mit Gott« als Buch mit CD bei Voland & Quist. In diesem Jahr erschien dann »Was war eigentlich morgen« bei uns. Er gilt als einer der bekanntesten Lesebühnenautoren der Welt.
Damit unsere Leser ein bisschen was über dich erfahren, nenne uns doch bitte die bisher interessantesten und aufregendsten Ereignisse in deinem Leben als Autor.
Einmal habe ich bei einer Lesung der Reformbühne Heim & Welt im Berliner Schoko-Laden den in Ohnmacht fallenden Kollegen Wladimir Kaminer versucht aufzufangen, und wir sind dann beide zusammen auf der Bühne hinten gegen einen Heizkörper gekracht. Ich hatte entweder sein Gewicht oder aber meine Muskelkraft falsch eingeschätzt. Aufregend war sicher auch unsere Teilnahme des Votzenblockes an der großen Demonstration für Religionsfreiheit der Scientology-Kirche vor dem Brandenburger Tor, bei der ich zusammen mit Michael Stein von der Ordnungsgarde der Sekte eingekesselt wurde, nachdem wir uns per Megaphon als oppositionelle, homosexuelle Untergruppierung bei Scientology geoutet hatten und lautstark mehr Respekt einforderten. Ansonsten ist das Leben als Schriftsteller ziemlich öde. Sex, Prügeleien und Russischer Zupfkuchen. Nicht anders als bei jedem anderen auch.
Wann schreibst du? Wie sieht dein normaler Tagesablauf derzeit aus?
Ich stehe früh um 5 auf und gehe pullern. Dann lege ich mich noch mal hin. Gegen 8 muss ich wieder hoch, um der kleinen Tochter Frühstück zu machen und sie in den Kindergarten zu bringen. Danach lege ich mich wieder hin. Um 12 ist dann Mittagszeit. Ich gehe in ein exclusives Restaurant meiner Wahl und speise aus erlesenen Zutaten gefertigte Gerichte. Gesättigt spaziere ich hernach beschwingt nach Hause, wo ich mich vor den Computer fläze und Videos gucke. Das ist irgendwann langweilig, ziemlich genau dann, wenn der Rest der Familie nach Hause kommt. Das ganze Gewusel geht mir aber auch schnell auf die Nerven und so flüchte ich in ein nettes Café und trinke dort einen Café Latte oder ein noch moderneres Getränk. Abends gibt es oft Abendbrot und danach die Tagesschau, wo man entsetzt ist, wie vielen auf der Welt es noch schlechter geht als einem selber. Da denkt man dann drüber nach, meistens in einer Kneipe um die Ecke, bei diversen Bierchen. Gehe ich schließlich voll Weisheit trunken nach Hause, erwartet mich dort nicht selten eine Frau im Bett, die behauptet ich würde stinken. Es ist immer dieselbe Frau. Ach so, schreiben tue ich mittwochs.
Wie bist du zur Lesebühnenliteratur gekommen?
Durch Falko Hennig, der damals wie heute neben mir wohnt(e) und der mich einfach mitnahm, als er dort was vorlesen wollte, bei der Reformbühne. Das war damals noch nachmittags und ich fand seine Idee so verrückt, dass ich mitkam. Hatte bis dahin bloß geschrieben, wenn ich unglücklich verliebt war oder die Welt so richtig hasste. Wir sollten auf zwei Stühlen, die auf der Bühne an der Wand standen, Platz nehmen, der Rest der Vorleser, die Stammbesatzung, saß um einen runden Tisch herum. Man kam sich vor als wäre man angeklagt. Ab da waren wir regelmäßig dabei und sind es noch heute. Seit jetzt, … 14 Jahren, oder so.
Was schätzt du am allermeisten am Schriftstellerdasein?
Die Freigetränke.
Wer oder was inspiriert dich literarisch?
Das Leben? Ich habe zwar auch Schriftsteller, die ich gerne gelesen habe oder lese, Boris Vian, Joachim Ringelnatz, Traven, Bukowski, Kubin. Aber ich weiß nicht ob und wie mich das literarisch inspiriert. Wahrscheinlich schon, kann aber ein Außenstehender bestimmt besser beurteilen. Zur Zeit lese ich übrigens sehr gerne Walter Kempowski.
Was ist für dich das Besondere an Lesebühnenliteratur?
Das Spontane und Aktuelle macht sie sicher aus. Wenn man in jeder Woche zwei neue Texte schreiben muss, dann ist da sicherlich auch viel Stuss dabei, aber man kann eben auch Überraschungen erleben, wie es sie woanders nicht gibt. Du kannst fünfmal dasselbe Thema hintereinander haben, jedes Mal aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Oder du erlebst ein Wechselbad, wo nichts zusammenhängt. Natürlich ist die Lesebühnenliteratur durch ihre ständige Präsenz auch unterhaltsam, das muss sie sein, aber man kann alles tun, alles machen, trotzdem, und es passiert auch immer wieder, das etwas verstört. Und Typen gibt’s da, Typen sag ich euch und auch Typinnen.
Was kann man in Zukunft von dir erwarten?
Ein Gedicht.
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Hier noch ein schönes Interview mit Ahne von WatchBerlin (Mai 2008).
[youtube 9JxJBxuSGOw]