Nora Gomringer hat dieses Jahr bereits zwei Bücher bei uns veröffentlicht: »Morbus« und, soeben erschienen, »Mein Gedicht fragt nicht lange reloaded«. Anfang Juli wird sie beim Bachmannpreis in Klagenfurt lesen. Hier steht sie uns für unsere Interviewreihe Rede und Antwort, die Fragen stellte Carolin Dahms.
In »Morbus« hast du 25 Gedichte zu unterschiedlichen Krankheiten verfasst. Wie kamst du auf die Idee, über Krankheiten zu schreiben? Bei den »Monster Poems« hast du uns ja schon erzählt, dass du mit einer Faszination für Monster aufgewachsen bist. War so eine Faszination auch der Grund, wieso du »Morbus« geschrieben hast?
Eine Trilogie soll entstehen. Da plant man länger am Ganzen, und weil ich weiß, dass oberflächliche Phänomene wie eben Monster, Krankheiten und Mode (soll 2017 erscheinen) alle Leute zum Mitreden einladen, war mein Gedanke, eine »Trilogie der Oberflächlichkeiten« anzugehen. Diese Oberflächen täuschen und funkeln. Schließlich sind die Monster unter dem Bett, die du nie siehst, und die Krankheiten, die sich in deinem Blut und nicht auf deiner Haut spiegeln und die Effekte der Mode, die eher Unsichtbarkeiten ausdrücken als Sichtbarkeiten (Glatze, Unterwäsche etc.) verheerender, fataler, dramatischer. So was interessiert mich. Auch habe ich seit 2001 eine chronische Krankheit und beschäftige mich intensiv damit, Patientin zu sein.
25 Krankheiten, eine kleine Auswahl an der Fülle von Leiden, die es gibt. Gab es bestimmte Kriterien, nach denen du die Krankheiten für »Morbus« ausgewählt hast?
Effekt und Geschichte, poetische Verwendbarkeit und persönlicher Zugang.
Deine Gedichte in »Morbus« unterscheiden sich teilweise sehr stark im Aufbau. Die Verse von »Cave Canem« bestehen beispielsweise bist auf den letzten Satz nur aus jeweils einem Wort, in »Die Mädchen in Bergen-Belsen« ergeben sie hingegen vollständige Sätze. Wie entscheidest du, welche Form deine Gedichte bekommen, und was für Überlegungen stellst du an, bevor du mit dem Schreiben beginnst?
Der Ton des Textes ist schnell gefunden, und der Ton diktiert dann die Form in diesem Fall. Tollwut muss auseinanderbrechen, dich anbellen. Ein Typhus-Gedicht kann eine Geschichte erzählen.
Du hörst Musik bei der Enstehung deiner Gedichte. Wieso?
Oft, nicht immer. Meistens läuft eine Serie nebenher. Ich mag es, wenn Stimmen, mir etwas erzählen.
Hast du einen Lieblingsort, an dem dir das Schreiben besonders leicht von der Hand geht?
Jede Steckdosennähe, die mir suggeriert: es kann weitergehen! (Der Akku meines MacBooks ist total hinüber, von daher …)
Du hast bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Wann entstand die Idee, eine Trilogie und »Monster – Morbus – Mode« zu schreiben?
Siehe oben. UND: Mein Tagwerk als Direktorin besteht aus 8 Bürostunden und oft noch 4-5 Abendstunden für Veranstaltungen. Kurz: ich habe nicht viel Zeit, muss gut planen, mich organisieren, fleißig sein, wenn ich noch Eigenes herstellen möchte. Diese Disziplinierung klappt nun seit fünf Jahren, verändert aber natürlich das Schreiben und den Umfang der literarischen Arbeit. So will ich mich Themen widmen und gezielt auf ein Thema hinschreiben. »Aus mir selbst« und so ganz »unbeobachtet« entstehen kaum noch Texte.
»Morbus« ist erst der zweite Teil deiner Lyriktrilogie. Der Band »Mode« wird die Reihe abschließen. Kannst du schon verraten was die Leser_innen erwarten wird?
Ich stelle da schon verschiedene Überlegungen an. Mode und Zeitphänomene, Blogs und Nacktheit, Pelze und Selbstmordwellen Verkleideter (wie bei Goethes Werther), Rollenspiele und Uniformen. Mode ist Vanitas in jeder Bedeutung des schönen, lateinischen Wortes … Todsünde und Wahrheit.
(Foto: Judith Kinitz)
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