Am vergangenen Dienstag hat uns das OLG Düsseldorf im »Wanderhurenstreit« Recht gegeben. Nun war etwas Zeit, das Zurückliegende ein wenig sacken zu lassen und ein kleines Resümee zu schreiben..
Zur Vorgeschichte: Der Verlag Droemer Knaur hatte gegen unseren Titel »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« am 27.03.2014 vor dem LG Düsseldorf eine einstweilige Verfügung erwirkt und damit ein vorübergehendes Vertriebsverbot erreicht (unser Kommentar zum Urteil hier). Dagegen haben wir uns gewehrt, weil wir das Urteil als ungerecht und unseren Titel nach wie vor als durch die Kunstfreiheit gedeckt ansahen. Um das Berufungsverfahren finanzieren zu können, haben wir eine Crowdfunding-Kampagne aufgesetzt – innerhalb von vier Tagen wurden mehr als 14.000 Euro gespendet.
Vorvorgestern fand nun die Verhandlung beim OLG statt, und ich bin nach Düsseldorf gefahren, um sie mir anzuschauen. Und natürlich war ich ziemlich nervös. Der Vorsitzende Richter Prof. Wilhelm Berneke sprach zu Beginn von einem »schön strukturierten Fall«, er fand das Ganze offenbar inhaltlich sehr spannend. Er ist seit vielen Jahren Experte für Markenrecht, muss man wissen. Mit einem Urteil heute könnten wir rechnen, sagte er außerdem zu Beginn, was natürlich noch die Spannung erhöhte. Dann erörterte er verschiedene Aspekte des Falles, die auch in den Schriftsätzen unseres Anwalts und der Gegenseite zur Sprache kamen.
Dass es ganz gut für uns aussah, wurde mir klar, als er vom »krassen Gegensatz« im Buchtitel sprach, der sich »sofort erschließe«. Und dass unser Titel als »Kunst« anzusehen sei (der vorsitzende Richter vom LG Düsseldorf hatte das ja völlig anders gesehen). Sinngemäß sagte er weiter, dass selbst, wenn nicht jeder den Titel als Kunst ansehe – sprich: die Satire erkenne –, dies nicht bedeute, dass es keine Kunst sei. Und danach kam er dann auch bald zum Urteil.
Kurz: Da unser Titel Kunst sei, sei er auch durch die grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit gedeckt. Damit schloss er sich unserer Rechtsauffassung vollständig an.
Aus der Pressemitteilung zum Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.08.14:
Da der Titel in seiner satirisch-ironischen Formulierung eine Kombination des heutigen Vergnügens an »schönen Wanderwegen« mit einer mittelalterlichen »Wanderhure« schaffe, sei er bereits selbst »Kunst«. Der Titel stehe zudem in einem engen Bezug zu dem ersten Beitrag des Buches, der sich kritisch mit der wirtschaftlichen Verwertung von Bestsellern auseinandersetze und hierzu auch das Beispiel der Wanderhuren-Romane aufgreife. Der grundgesetzlich geschützten Kunstfreiheit stehe zwar das Grundrecht der Antragstellerin auf Schutz ihres Eigentums aus Art. 14 GG gegenüber. Die Abwägung beider Grundrechte fiele hier aber zugunsten der Kunstfreiheit aus. Die Antragstellerin müsse sich einer Kritik stellen, die durch die Verwendung des Beispiels der »Wanderhure« in besonderer Form Aufmerksamkeit finde.
Genau darum ging es, um eine Grundrechtsabwägung. Auch wir sind der Meinung, dass die Kunstfreiheit höher zu bewerten sei und dass Kritik möglich sein muss.
Danken möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich unserem Anwalt Raphael Thomas, der uns durch offene und faire Beratung, seinen Einsatz und auch seine Expertise überzeugt hat. Wenn ihr mal einen guten Medienanwalt braucht, hier ist er.
Jetzt müssen wir abwarten, was Droemer Knaur als Nächstes tut. Geschäftsführer Hans-Peter Übleis äußerte, man wolle »mit den Autoren die weitere Vorgehensweise entscheiden«. Gegen die Entscheidung des OLG bestehen zwar keine Rechtsmittel, aber Droemer Knaur könnte nun ein Hauptsacheverfahren anstrengen und klagen. Dann ginge das Ganze vorn vorne los. Hoffen wir, dass dem nicht so ist. Wir drucken jetzt erst mal die 2. Auflage.
Wir hatten ja versprochen, im Falle eines Sieges das durch die Crowdfunding-Aktion eingenommene Geld abzüglich unserer Kosten dem Kurt-Tucholsky-Museum zu spenden. Und das werden wir auch tun, mehr dann zu gegebener Zeit hier im Blog.
Erst einmal freuen wir von Voland & Quist uns mit Julius Fischer über dieses Urteil und danken allen unseren Freunden und Helfern für die Anteilnahme und Unterstützung! Ein besonderer Dank gilt jedoch allen Teilnehmern unserer Crowdfunding-Aktion, die uns mit ihren Spenden den Weg in die Berufung ermöglicht haben.
Kleiner Nachtrag: Als Raphael Thomas und ich nach der Verhandlung im Biergarten am Rhein saßen, fuhr tatsächlich ein Schiff namens »Schloss Gripsholm« vorbei. Passender geht es nicht, oder?
Update 11.08.: In einer früheren Version des Artikels war vom Ausflugsdampfer »Schloss Gripsholm« die Rede, das hatte ich falsch in Erinnerung. Es handelte sich in Wirklichkeit um dieses Schiff.
2 Kommentare
well done, Jungs! Sollte Droemer ein Hauptverfahren anstreben, wäre das unverhältnismäßig. Ich kann mir vorstellen, dass auch eher die Autoren den Druck machen, dem Verlag wird nicht soviel daran liegen, das jetzt weiter zu verfolgen. Denn HPÜ ist doch eigentlich ein kluger Mann und ein angenehmer Zeitgenosse.
Vermutlich ja, da hast du recht. Fingers crossed!